Eine so gute Platzierung hätte ich tatsächlich nicht erwartet. Es war das erste Mal, dass ich „frei“, also ohne Auftrag als Helferin, in dieses Rennen ging. Vor dem Start war ich aufgeregt und freute mich über das Vertrauen, das mein Team Lotto Soudal in mich hatte.
Die Flandernrundfahrt ist ein besonderes Rennen. Es ist hart, lang und legendär. Hier landet, genau wie beim Männerrennen, keine Fahrerin zufällig in der vorderen Gruppe. Unsere Strecke ist im Finale gleich der der Männer und unser Zieleinlauf ca. 2 Stunden vorher. Die Stimmung am Streckenrand ist unbeschreiblich, die Zuschauer machen das Rennen unvergesslich.
Zu Beginn des Rennens musste ich mich immer wieder selbst daran erinnern, dass ich meine Kräfte aufsparen muss, weil ich im Finale um jeden gesparten Antritt froh sein werde. Dabei half mir auch meine Mannschaft, die mich unauffällig in den forderen Positionen hielt.
Das „Finale“ beginnt in diesem Rennen früh. Schon ab der letzten Renn-Stunde kommen Attacken der Favoritinnen. Am Kanarieberg, nach 106km, konnte sich eine Spitzengruppe absetzen, die ich verpasste. Mein Team hielt das Tempo hoch und ich selbst musste cool bleiben, denn wir rechneten mit der ersten Vorentscheidung am Kruisberg, bei Kilometter 114. Alles lief perfekt für mich: Wir holten die Spitzengruppe zu Beginn des Anstiegs ein und mein Team brachte mich in perfekte Position. Oben am Berg waren ca. 20 Fahreinnen übrig. Boels Dolmans, das dominierende Team der Weltmeisterin Lizzy Amidstead, schickte eine Attacke nach der anderen. Es konnte sich aber niemand absetzen.
Der schwerste Anstieg kam jetzt: Der legendäre Kwaremont. Es geht steil bergauf mit 1,5km Kopfsteinpflaster. Elisa Longo Borghini und Ellen van Dijk attackierten und ich kämpfte ums Überleben. Es fühlte sich unendlich lang an, bis wir wieder normalen Asphalt unter den Reifen hatten. Nur 11 Fahrerinnen schafften es den Attacken zu folgen. Doch rennentscheidend war am Ende das Durchatmen danach. Gerade als alle für einen kurzen Augeblick Luft holten, kam der Angriff von Emma Johansson. Lizzy Amidstead sprang hinterher und alle anderen guckten sich an, leider auch ich. Es kam nur noch ein einziger letzter Berg, der Paterberg, der zwar kurz, aber mit bis zu 20% extrem steil ist und zudem auf Kopfsteinpflaster. Ich wusste: das ist die letzte Chance Emma und Lizzy näher zu kommen, oder deren Teamkolleginnen aus meiner Gruppe abzuschütteln. Ich gab von unten bis oben Vollgas. Wir lagen nur 15 Sekunden hinter Lizzy und Emma, doch sie blieben vorne.
Leider waren die Hälfte meiner Gruppe Teamkolleginnen der beiden Spitzenreiterinnen, sodass neben mir nur drei Fahrerinnen übrig blieben, die sich an der Aufholjagt beteiligten. Die Situation war nicht sehr vielversprechend, doch wir versuchten es. Schließlich gewann Lizzy nach 142km den Sprint gegen Emma. Meine Gruppe kam bis auf zwei Sekunden heran, doch mein Sprint war nicht der beste. Ich wurde neunte, und war im ersten Moment ein bisschen enttäuscht. Aber eigentlich ist ein neunter Platz bei der Flandernrundfahrt spitze und jetzt kann ich mich sehr darüber freuen.
Die komlette Übertragung in perfekter Qualität könnt ihr euch hier ansehen: LINK
Bis bald,
Claudia